Trainer 1927/28
Walter Hollstein übernimmt den Trainerposten von Sepp Herberger. Leider sind die Quellen zu seinem Wirken im Verein recht schweigsam.
Das Protokoll der Mitgliederversammlung am 28. Juni 1927 berichtet, dass die Übungsleitung nach der Berufung Otto Nerz‘ als Reichtrainer auf Herberger übergeht.
Ende des Kalenderjahres verließ uns unser Trainer, Herr Otto Nerz, der zum Reichstrainer des Deutschen Fußball-Bundes bestellt worden ist. […]
Von einer neuen Besetzung des Trainerpostens haben wir bisher mit Rücksicht auf die finanzielle Lage des Vereins abgesehen. Wir waren dazu umso mehr in der Lage, als unser Vereinskamerad Herberger ehrenamtlich die Leitung des Trainings übernommen und bisher zu aller Zufriedenheit durchgeführt hat. Nachdem jetzt die Räumlichkeiten des Post-Stadions nahezu fertiggestellt sind, werden wir der technischen Furchführung des Trainings allergrößte Aufmerksamkeit zuwenden und auch der Frage einer Anstellung eines neuen Trainers nähertreten müssen. Die letzten Wochen haben gezeigt, dass das Interesse an einem geregelten Training auch bei den unteren Mannschaften in reichlichem Maße vorhanden ist.
Die letzte Bemerkung des Berichterstatters Dr. Braubach, amtierender 1. Vorsitzender der Veilchen, illustriert, dass Seppl Herberger nur den Trainingsbetrieb der Ersten Herren aufrecht erhält. In allen anderen Abteilungen liegt das Übungswesen brach, denn bezahlte Trainer stehen dem sportlichen Betrieb auch aller anderen Abteilungen und Mannschaften zur Seite.
Während der Generalversammlung ein Jahr später, am 15. Mai 1928, erstattet Geschäftsführer Carl Koppehel Bericht und bestätigt den Nachgeborenen die Verpflichtung Walter Hollsteins, versäumt es aber, ihn namentlich zu nennen. Auch wann Hollstein zu den Veilchen stieß, lässt er leider im Dunklen.
Einen bedeutsamen Schritt vollführten wir mit der Verpflichtung eines hauptamtlichen Trainers, der an zwölf Stunden der Woche und Sonntags voll zu unserer Verfügung steht. Neben der ersten Mannschaft sollen auch die anderen Kräfte im Club, und insbesondere die starke Jugendabteilung, einem geregelten Training zugeführt werden, weil wir unsere Aufgabe voll erfüllen wollen.
Man wird demnach annehmen dürfen, dass Walter Hollstein den Trainingsbetrieb mit Beginn der Saison 1927/28 übernimmt. Hollstein ist nach Vorarbeit des ehrenmtlichen Spielertrainers Herberger Architekt einer unvergleichlichen Serie: Bis April 1928 verlieren die Lila-Weißen in 18 Spielen nur einen Punkt, bei einem herausragenden Torverhältnis von 93:16. Das ist deutscher Rekord.
Allerdings gestaltet sich das Verhältnis des Cheftrainers zu seinem Vorgänger nicht reibungslos, wie Hollsteins Sohn, der Soziologe Walter Hollstein, berichtet:
Mein Vater hat lebenslang von TeBe erzählt und ist TeBe auch immer verbunden geblieben; Hertha hat ihn nie interessiert. Ich war ja selber lange in Berlin, von 1971 bis 2oo7. In der Anfangszeit haben mich meine Eltern auch besucht und sind dann auch den alten Sportstätten nachgegangen.
An Episoden, wie sie sie auf ihrer Seite haben, kann ich mich momentan nicht erinnern. Mein Vater hat viel Persönliches erzählt, z.b. von Otto Nerz, den er hoch verehrt hat, und von Sepp Herberger, der ja in der Trainerzeit meines Vaters bei TeBe auch „unter“ ihm gespielt hat. Letzteren mochte er nun gar nicht.
Vielleicht liegt es an dem schwierigen Verhältnis zwischen dem Coach und dem Stürmer-Ass, dass Hollstein den Club bereits zum Ende der Saison wieder verlässt. Denn Herberger ist nicht nur eine feste Säule im Spiel der Veilchen; er genießt außerdem das volle Vertrauen seines väterlichen Freundes Nerz, und der Reichstrainer hat in seinem Verein nach wie vor großen Einfluss.
Im August 1928 übernimmt der Österreicher Lori Polster das Traineramt von Walter Hollstein.