TeBe gegen Hertha BSC am 27.9.1925, 1:6
Eben noch den HSV vernascht und jetzt das. Aber Nerz ist ohnehin andrer Meinung. Ich selbst bin immer skeptisch und zurückhaltend mit Voraussagen, denn es hängt doch zuviel vom Zufall ab. Ein wenig Pech auf der einen Seite und eine gleiche Dosis Glück bei der Gegenpartei und der Klatsch ist da. Aston Villa – Burnley 10:0! West-Ham United – Leeds 2:5! Pah! Aber wer kümmert sich um die Meinung des Cheftrainers, wenn der HSV eben noch vier faule Heringe im Netz hatte, bei keinem Gegentor? Und standen die Zeichen in der Fußballwelt, respektive auf dem Preußenplatz vor 7.000 Zuschauern nicht auf Lila-Weiß? Wir hatten bis zur Pause mehr vom Spiel und gute Chancen. Zweimal trudelte der Ball auf Götzes Linie herum. Tennis – zweifellos überlegen. Doch Domscheid tritt Wilhelm Hoffmann in ganz roher Weise um, so dass er für den Rest des Spiels behindert ist. Fünf Minuten vor Abpfiff dann Treffer Nummer 1 für die Hertha. Pech! Sofort nach Wiederanpfiff zappelt der zweite Treffer in Krügers Netz. Der nasse Ball glitscht ihm durch die Hände. Pech! Eine bittere Sache, aber das Spiel brauchte deshalb nicht verloren sein.
Nach der Pause setzen energische Angriffe der Unseren ein. Doch das Unglück nimmt seinen Lauf, als ein Strafstoß Torwart Krüger erneut entgleitet. Aber noch war’s nicht genug. Noch drei Tore fielen für Hertha. Eins davon war glatt abseits – nicht im Augenblick des Torschusses, sondern einige Augenblicke vorher stand der Mittelstürmer in klarer Abseitsstellung. Ein andermal war Krüger ausgeflogen, und da wurde prompt ein Ei ins leere Nest gelegt. Ein Elfmeter – von Wiese sehr schwach aber platziert geschossen – wird von Götze gehalten. Bei 6:0 braucht man wirklich nicht nervös zu sein. Es folgte ein schweres Foul Domscheids an Raue. Den Strafstoß schoss Hoffmann zum Ehrentor. Raue musste vom Platz getragen werden, Domscheid lachte dazu!
Und Domscheid hört gar nicht mehr auf zu lachen. Das ist selbst Alt-Herthaner Fischer zu viel. Der ist nicht nur ein guter Spieler, sondern auch ein Sportsmann. Es war eine Freude zu sehen, wie er Domscheid für seine unflätigen Reden zurecht wies. Es ist nämlich auch schwer, mit Anstand zu siegen! Verschiedene an sich sehr gute Hertha-Leute trübten ihre Leistung durch unfaires Spiel.
Aber Trainer Nerz ist auch mit seiner Mannschaft unzufrieden:
Verschiedene Leute bringen auch noch lange nicht den nötigen Ernst mit. Sie hätten doch sonst wenigstens ihr Schuhwerk in der angeordneten Weise hergerichtet. Die Stiefel sind doch das Handwerkszeug!
Die Presse schimpft: Die Tennis-Borussia Katastrophe! Auch die Zuschauer sehen es genauso und stimmen mit den Füßen ab. Die Einnahmen der Veilchen brechen nach dem Spiel drastisch ein. Selbst die Club-Nachrichten stellen für eine Weile ihr Erscheinen ein. Die Offiziellen reagieren, und verschreiben der Ersten Herren neben dem regulären Ligabetrieb ein kräftezehrendes Programm aus prominent besetzten Freundschaftsspielen.
Nur Nerz ist andrer Meinung:
In Wirklichkeit zündet auch mal die beste Maschine schlecht. Und es kommt hinzu, dass es beim Gegner besonders gut geht, dann gibt es eine „vernichtende“ Niederlage. „Vernichtend“ natürlich nur für die Fanatiker, die nie – weder beim Sieg noch bei der Niederlage – normal sind!