Position beziehen: Fußball und die demokratische Zivilgesellschaft
Offener Brief zur Ablehnung des Trikots von Tennis Borussia Berlin mit dem Logo des “CURA – Opferfonds rechte Gewalt” durch den Nordostdeutschen Fußballverband (NOFV)
Wie viel gesellschaftliche Verantwortung darf der Sport übernehmen? Diskussionen darüber gab es zuletzt immer wieder. Während der Fußball-EM waren Regenbogenfarben an der Münchner Fußball-Arena der Anlass. Während der Olympischen Sommerspiele war es eine Solidaritätsgeste für unterdrückte Gruppen durch die Kugelstoßerin Raven Saunders. In der NFL war es zuvor schon der Kniefall des Quarterbacks Colin Kaepernick im Rahmen der “Black Lives Matter”-Proteste. Während alle diese Fälle glücklicherweise eine breite gesellschaftliche Unterstützung erfahren haben, waren es stets Trägerverbände und Komitees, die diese Aktionen mit Ausschluss, Geldstrafen oder Verboten sanktioniert haben.
Ein Vorfall aus der Regionalliga Nordost des Männerfußballs fügt sich jetzt in diese Reihe ein: Zu Beginn der aktuellen Saison hat sich Tennis Borussia Berlin dafür entschieden, die vakante Werbefläche auf der Trikotbrust vorerst dem Opferfonds CURA zur Verfügung zu stellen. Der Fonds unterstützt Betroffene rechter Gewalt finanziell.
Die Amadeu Antonio Stiftung zählt 213 Todesopfer rechter Gewalt seit 1990. Die Zahl der rechten Gewalttaten liegt deutlich höher – rechte Gewalt ist in Deutschland leider immer noch Alltag. Auch im Kontext des Fußballs werden immer wieder Menschen aus rassistischen oder antisemitischen Gründen angegriffen. Wenn Menschen aufgrund von Hass und Ideologien, die den Grundwerten unserer demokratischen Gesellschaft zuwiderlaufen, angegriffen, verletzt oder gar getötet werden, ist es selbstverständlich, dass die demokratische Zivilgesellschaft an ihrer Seite steht. So dachten wir zumindest, als wir unsere Trikots mit dem Logo des Opferfonds CURA beantragt haben.
Der NOFV hat mit seiner Ablehnung des Aufdrucks auf den Trikots diese Selbstverständlichkeit mit Verweis auf die Spielordnung infrage gestellt. Diese besagt in § 25 Ziffer 8, dass “Werbung für politische Gruppierungen und mit politischen Aussagen” nicht genehmigt wird. Weiter heißt es in der Begründung, eine “bestimmte Gruppe von Personen” könne sich “durch die Werbung provoziert fühlen”. In den sozialen Medien äußerten daraufhin zahlreiche Menschen und Organisationen ihr Unverständnis über diese Entscheidung und ihre Begründung.
Wir, die Verfasser:innen und Unterzeichner:innen dieses Briefes, können und wollen die Entscheidung des NOFV nicht so stehen lassen. Engagement für demokratische Grundwerte muss auch auf dem Platz möglich sein. Glücklicherweise ist diese Haltung mittlerweile in vielen, wenn auch noch nicht in allen Sportverbänden angekommen. In der Bundesliga sind Statements gegen Rechtsextremismus und Diskriminierung ebenso möglich wie in der Berliner Kreisliga. Wir appellieren an Verbände aller Sportarten, sich daran ein Beispiel zu nehmen.
Nach einer rassistischen Beleidigung gegen den Spieler Jordan Torunarigha von Hertha BSC im Februar 2020 zeigten sich Mitspieler und Fans solidarisch und positionierten sich deutlich gegen Rassismus. Dafür gab es breite Zustimmung. Doch auch ohne konkreten Anlass muss in allen Ligen und Spielklassen eine Solidarisierung mit Betroffenen von Rassismus und rechter Gewalt möglich sein.
Dem NOFV unterbreiten wir im vorliegenden Fall einen konkreten Vorschlag: Wenn der Spielausschuss bei seiner Auffassung bleibt, dass § 25 Ziffer 8 Werbung für den Opferfonds CURA und vergleichbare Initiativen verbietet, bleibt dem Verband noch immer die Möglichkeit, die Regelung zu präzisieren. Das NOFV-Präsidium könnte eine rechtliche Grundlage innerhalb der Spielordnung schaffen, die zivilgesellschaftliches Engagement gegen Diskriminierung und für eine offene Gesellschaft zulässt. Die Unterstützung gemeinnütziger Organisationen könnte explizit erlaubt werden. Eine entsprechende Änderung der Ordnung könnte das Präsidium – wie in anderen Fällen auch – im Umlaufverfahren unverzüglich beschließen. Dafür ist es höchste Zeit: Solange wir als Gesellschaft davor zurückschrecken, uns klar zu Terror, Ausgrenzung und Hass zu positionieren, können wir nicht jene schützen, die von ihnen bedroht werden!
Initiator:innen:
- Tennis Borussia Berlin e.V.
- Amadeu Antonio Stiftung
Unterzeichner:innen (in alphabetischer Reihenfolge):
- 1910 Dezibel – Fanclub Sankt Pauli
- 96-Fanclub Rote 12
- Dominik Achternbosch (Die Linke)
Kreisvorstandsmitglied Rhein-Kreis Neuss - AG Offene Gesellschaft Lichtenberg – Bündnis 90/Die Grünen Berlin
- AK 96-Fans gegen Rassismus
- AJC Berlin Lawrence & Lee Ramer Institute for German-Jewish Relations
- Maik Altmann
Mitglied FC Energie Cottbus - Altona93 – Abteilung Fußball-Fans
- Paul Anton
- Stephan B. Antczack
Bundesverband Theaterpädagogik – erweiterter Vorstand - Artikel Eins – Initiative für Menschenwürde e.V.
- Lars Klaus Aßhauer
Stv. Vorsitzender VVN-BdA Leipzig / LandessprecherInnenrat VVN-BdA Sachsen - Floriane Azoulay
Direktorin der Arolsen Archives - Bananenflanker Legenden
- Katarina Barley, MdEP (SPD)
Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments - Klaus Bartels
- Tobias Baier
- Franziska Becker, MdA (SPD)
Spitzenkandidatin für die Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin für Charlottenburg-Wilmersdorf - Wolfgang Behrens
- H. Bernstengel
- Detlef Bernhöft
- Philipp Bertram, MdA (Die Linke)
Sportpolitischer Sprecher Linksfraktion Berlin - David Besser
- Blau-Weiß statt Braun e.V. – KSC-Fans gegen Nazis
- Tamás Blénessy
- Enrico Bloch (SPD)
Kandidat Marzahn-Hellersdorf für den deutschen Bundestag - Blueprint Fanzine
- Blutgrätsche 05 Regensburg
- Peter Bombal
- Thomas Bousselmi
- Jan Böning
- Brigade Konrad Wolf
Fangemeinschaft SV Babelsberg 03 - Pavel Brunssen
University of Michigan - Bündnis Aktiver Fußballfans e.V.
- Bündnis für Demokratie und Toleranz Marzahn-Hellersdorf
- CFC-Fans gegen Rassismus
- Chemisches Element
Fanclub BSG Chemie Leipzig - Robert Claus
Autor - Doritt Czosnyka-Hesse
- Franko D.
- Ølli Dornisch
Fansprecher Stuttgarter Kickers 1991-1997 & 2014-2016 - Frank Eckner
- Martin Endemann
- Henny Engels
- Equaletics e.V.
- Exiladler Tübingen
Fanclub Eintracht Frankfurt - A. Chaos Franck
- F_in Netzwerk Frauen im Fußball
- Fanclub Grenzenlos EISERN
- FC Internationale 1980 e.V.
- Simon Pascal Fischer
- Henning Flaskamp
Geschäftsführer werk21Kommunikation - Freundinnen gegen Rechts
- Martin Friedrichs
- FSV Hansa 07 Berlin e.V.
- Heiko Gabriel
- Christian Gaebler
Chef der Senatskanzlei Berlin - Gegengerade-Fußballfilm-und Kulturfestival
- Frank Geiseler
- Ruben Gerczikow
Publizist - Gesellschaftsspiele e.V.
- Louisa Janina Gießler
Vorständin recht und Cheftrainerin U17-Juniorinnen FC Blau-Weiß Leipzig e.V. - Daniel Goldstein
- Rolf Robert Grande
- Familie G. Griethe
- Erhard Grundl, MdB (Bündnis 90/Die Grünen)
Sprecher für Kulturpolitik - Martin Grünheit
Theaterregisseur, Spieler und Trainer FC Internationale Berlin - Cornelius Gutenmorgen
- HaHoHe Club e.V. für Menschen mit und ohne geistige Beeinträchtigung
- Janek Hartig
- Hauptsache Blau
Fanclub Bremer SV - Andreas Häßler
- Christian Heine
Gewerkschafter - Hendrik Heitbaum
Buchhändler - Anne Helm, MdA (Die Linke)
Vorsitzende der Abgeordnetenhaus-Fraktion - Oliver Helm
- Clara Herrmann
Stadträtin für Finanzen, Umwelt und Kultur von Friedrichshain-Kreuzberg - Hertha Fanclub International
- Hertha-Junxx e.V.
- Hertha OFC Axel Kruse Jugend
- Jan-Nic Heuer
- Christian Hintzen
- Hoddwolleh – aktive Fans des VfL Halle 96
- Mike von Holt
- Harald Hoppadietz
- Carl-Friedrich Höck
- Till Hönsch
- HSV Fans gegen Rechts
- Initiative “Nazis raus aus den Stadien”
- Burak İşıkdağlıoğlu
- Dr. Martin Jungmann
- Fanladen St. Pauli
- Fußballfans gegen Homophobie e.V.
- Anetta Kahane
Vorstandsvorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung
- Kaputte Köpfe Sankt Pauli
- Tabea Kemme
- Stefan Kiefer
Geschäftsführer Charta der Vielfalt e.V. - Kiezgruppe gegen Rassismus Marzahn-Hellersdorf
- Thomas Kirschner
- Bianca Klose
Geschäftsführerin des VDK e.V. - Sigmount A. Königsberg
Beauftragter gegen Antisemitismus, Jüdische Gemeinde zu Berlin - Koordinierungsstelle für Demokratieentwicklung Marzahn-Hellersdorf
- Ibi Köster
- Tim Krause
- Jan Krieger
- Saskia Kriese
- Kurstadt Inferno Bad Liebenwerda
- Kevin Kühnert (SPD)
Stellvertretender Bundesvorsitzender - Christian Lange
- Gordon Lemm (SPD)
Schul- und Jugendstadtrat und Kandidat für das Amt des Bezirksbürgermeisters - Björn Liebenthal
- Daniel Maemecke
- Dr. Dennis Maelzer, MdL (SPD)
Mitglied des Landtags NRW - Makkabi Deutschland e.V.
- Anton Eduard Marvin
- Jörg Meinhardt
Tebe U21 Sportlicher Leiter - Roland Meyer
- Barbara-Christine Meyer-Schlüter
- Mobile Beratung für Opfer rechter Gewalt in Sachsen-Anhalt
- Gregor Mohlberg
Stadtrat in Freiburg, Fraktion eine Stadt für Alle - Jan Möbius
- Mathias Möller
Journalist - Jessica Mroß
BVV Tempelhof-Schöneberg - Norbert Müller, MdB (Die Linke)
- Peter Narten
- David Naujeck
- Gero Neugebauer
Politikwissenschaftler und Publizist - Jerome Niebuhr
- Monty Ott
Publizist - Opferperspektive – Solidarisch gegen Rassismus, Diskriminierung und rechte Gewalt e.V.
- Cem Özdemir, MdB (Bündnis 90/Die Grünen)
- Bastian Pauly
- David Paterson
- Christopher Paul
Trans*aktivist - Lisa Paus, MdB (Bündnis 90/Die Grünen)
- Reto Pavoni
- Fehim Pehlivanlar
- Prof. h.c., Dr. Gunter A. Pilz
Vorsitzender des Netzwerks Sport und Politik für Fairness, Respekt und Menschenwürde - Dagmar Poetzsch
Gewerkschafterin - Polar-Pinguin Berlin Neukölln
- Bartosz Popiela
- Purple Gayz
- Q-Block – Queer TeBe Fans
- Queer Football Fanclubs
- Markus Ratzke
- Michael Reckordt
- Dr. Bettina von Reden
- Timo Reinfrank
Geschäftsführer Amadeu Antonio Stiftung - Rote Allez! Fraktion
- Roter Stern Leipzig ‘99 e.V.
- Niklas Ruddigkeit
- Plankenschubser St. Pauli
Fanclub - Bastian Satthoff
Historiker - Moritz Sauer
- Schalker Fan-Initiative (gegen Rassismus und Diskriminierung) e.V.
- Olaf Schäfer
Lehrer - Martin Schilling
Vorsitzender der Willi-Eichler-Akademie e.V. - E. Schlobinski
- Matthias Schoblocher
- Julia Schramm (Die Linke)
Mitglied im Bundesvorstand - Peter Schrott
- Schule für Erwachsenenbildung e.V.
- Eberhard Schulz
Sprecher von !Nie wieder – Initiative Erinnerungstag im Deutschen Fußball - Christian Schwarzkopf
- Iris Spranger, MdA (SPD)
Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl Marzahn-Hellersdorf -
Robert Sprinzl
Geschäftsführer DGB-Jugendbildungsstätte - Soligruppe KiezDöner (TEKIEZ)
- Stabilo Girls UHG
- Stefan Schulz
- Axel Strauch
- St. Pauliatrie Oldenburg
- SK Bochum 11 e.V.
- Ralf Sondermeyer
- Supporters Crew 05 e.V.
- SV Babelsberg 03 e.V.
- SV Concordia Nowawes 06 e.V.
- SV Traktor Boxhagen e.V.
- Christof M. Szelag
- TeBeSur
- terre des hommes Deutschland e.V.
- Tennis Borussia Abteilung Aktive Fans
- Piotr Tomaszewski
- Tore für Neven
- Transparency Deutschland (AG Sport)
- Karl-Heinz Trick (Bündnis 90/Die Grünen)
KV Ortenau - Rico Unglaube
FDA RECORDS - Unsere Kurve e.V.
- Der Übersteiger
Fanzine des FC St. Pauli - Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V. (VBRG e.V.)
- ver.di-Bezirk Linker Niederrhein Fachbereich Bund/Länder
- VfB für Alle e.V.
- VfB Oldenburg III
- VfB Oldenburg-Fan und Förderabteilung
- VfL Halle 96 e.V.
- Viola.161
- Volkmar Vogt
- VVN-BdA Leipzig/Sachsen
- Prof. Dr. Constantin Wagner
Universität Mainz - Jutta Weduwen
Geschäftsführerin Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V. - Fabian Weißbarth
Abteilungsleiter Politik, Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) - Udo Werner
- Wiener Sport-Club
- Sebastian Winzer
- Dennis Wippich
- Pascal Witlandt
- Julian Zado
Stellvertretender Vorsitzender SPD Berlin - Christoph Zenk
- Oliver Zenk
- Winfried Zenk
Gewerkschafter - Zusammen1 – Für das, was uns verbindet
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Wenn Sie diesen Brief öffentlich unterzeichnen möchten, schicken Sie uns bitte eine E-Mail an benedikt.bethscheider[at]tebe.de.