"Aus purem Idealismus"
Florian Ludwig im Gespräch mit Cowboy und Olli vom Schokoladen
Im Stadionmagazin TeBelive! zum Heimspiel gegen den Malchower SV erschien anlässlich des „Schokoladentags“ ein Interview mit zwei Vertretern unseres Kooperationspartners. Hier gibt es nun die ungekürzte Fassung zu lesen.
TEBElive – Hallo ihr beiden. Erstmal Danke für die Zeit, die ihr euch genommen habt. Vielleicht erzählt ihr zum Warmwerden erstmal, wie lange ihr schon im Schokoladen dabei seid?
Olli – Na vielleicht zum Warmwerden erstmal einen Eierlikör. Cheers!
Cowboy – Ich kenne den Schokoladen seit seiner ersten Stunde. Wie das in der wilden Nachwendezeit halt so war, im damaligen Ostberlin wurden viele Häuser besetzt, der alternativen Szene eröffneten sich völlig neue Räume und Entfaltungsmöglichkeiten. So lief das hier in der Ackerstraße 169 eben auch. Als erstes gab es den Bühnenraum mit der Bar, da hat sich bis heute nur wenig strukturell geändert. Im Laufe der Jahre kamen dann weitere Projekte dazu. Nebenan ist der Club der polnischen Versager, der einigen Leuten bekannt sein dürfte und hinten hat das Theater im Schokohof, TiSCH, seine Räume. In den Ateliers tobt sich die „Pinselschwingerszene“ aus.
TEBElive – Der Schokoladen ist also mehr als „nur“ eine Szene- und Musikkneipe?
Olli – Richtig, mit Cowboy und mir hast du ja zwei von einigen hoffnungsvollen Nachwuchsmusikern erwischt, die hier regelmäßig mit ihren Bands oder Musikprojekten proben. Musikern günstige Proberäume zur Verfügung zu stellen ist eins von vielen Anliegen des Schokoladens, denn die sind in Berlin ja bekanntlich knapp. Dem angegliedert ist auch ein Tonstudio.
Cowboy – Nicht zu vergessen, dass der Schokoladen eben auch ein Wohnprojekt ist. Einige der Leute leben hier schon seit zwanzig Jahren. Und seit einiger Zeit rollt auch das runde Leder. Mit dem Fußballclub Schokomotive gelang es uns in kurzer Zeit, eine spielstarke und ambitionierte Truppe auf die Beine zu stellen. Vor kurzem wurde ein erstes Freundschaftsspiel mit nur sehr wenigen Gegentoren absolut konsequent von uns bestritten und der Aufstieg in den höherklassigen Fußball ist wohl eher eine Frage von Tagen als Jahren…
TEBElive – Aha! Das klingt hinsichtlich das geplanten Fußballspiels zwischen der Schokomotive und den TeBe-Fans natürlich spannend. Dazu später mehr. Nochmal zurück zu den Anfangsjahren des Schokoladens. Gibt es da noch ein Anekdötchen, was euch spontan einfällt?
Cowboy – Als damals die ersten Leute hier rein sind, fanden sie neben einer nicht gerade soliden Bausubstanz eine Telefonabhöranlage der Stasi im Keller vor. Zwar stillgelegt aber noch komplett vorhanden. Für das marode Fernsprechnetz im Osten reichte dem MfS wohl so ein kleiner Keller wie der hier in der Ackerstraße.
TEBElive – Was ist für euch das Besondere am Schokoladen? Was unterscheidet ihn von anderen Läden in Berlin?
Olli – So wie sich gerade der Bezirk Mitte entwickelt hat, sind wir hier inzwischen einer der wenigen Läden, die weder kommerziell noch Gewinnorientiert arbeiten. Wir machen das aus purem Idealismus und genau deshalb macht es auch Spaß …
Cowboy – … und das spüren die Leute auch, die unsere Veranstaltungen besuchen. Bei uns muss niemand schon am Einlass oder am Tresen einen großen Teil seines Wochenendbudgets verpulvern, nur weil er bei einem Bier gute Musik hören will.
TEBElive – Wie andere alternative Einrichtungen in der Stadt auch, seit ihr momentan in eurer Existenz bedroht. Könnt ihr was zum aktuellen Stand sagen?
Olli – 2004 wurden die Gewerbemietverträge des Vereins zum ersten Mal gekündigt. 2008 reichte der Eigentümer eine Räumungsklage gegen den Verein ein; dieses Verfahren gewannen wir. Während des Verfahrens wurden möglicherweise rechtswirksame Kündigungen zum 31.7. bzw. 31.12.2010 ausgesprochen, die nun erneut geprüft werden. Parallel zu der juristischen Auseinandersetzung halten wir weiterhin unser Kaufangebot an den Hauseigentümer aufrecht und versuchen trotz des Scheiterns eines Runden Tisches in diesem Jahr, über politische Wege eine Lösung des Konflikts mit dem Hauseigentümer zu erreichen.
Soweit zum aktuellen Stand. Die Lage ist zwar nicht rosig, aber auch nicht hoffnungslos.
TEBElive – Bei den Spielern von Tennis Borussia prangte bis vor kurzem die Schokoladen-Kuh auf den Trikots, die Fans flaggen zu jedem Heim- und Auswärtsspiel ein -Schokoladen bleibt!- Transparent. Im Stadion gibt es eine Bande mit derselben Forderung. Wie kommt das bei euch an, gerade vor dem Hintergrund, dass sich bei euch auch so mancher Anhänger eines anderen Vereins wiederfindet?
Cowboy – Klar gibt es bei uns auch Fußballfans, ich selber hab es schon lange mit den Eisernen aus Köpenick, andere aus dem Schokoladen zieht es zur Hertha ins Olympiastadion. Doch keiner von uns ist so verbohrt zu sagen: Oh Gott, TeBe?! Und unter unseren, bisher Fußball-resistenten, Leutchens gibt es inzwischen sogar den einen oder anderen, der mit einem -Schokoladen bleibt!- Trikot oder Shirt von Tebe durch die Räume schlendert.
Olli – Ich gehöre eher zur Bundesliga-Fraktion, Werder Bremen ist mein Verein. Andere halten es mit der Eintracht aus Frankfurt oder der Dortmunder Borussia. Inzwischen merk ich aber auch, dass ich ein bisschen stinkig werde, wenn TeBe, wie neulich, zu Hause gegen Wismar verliert.
TEBElive – Bald gibt es das Spiel der Schokomotive gegen eine Auswahl von TeBe-Fans. Wie ist der aktuelle Trainingsstand, welches taktische Spielsystem werdet ihr präsentieren?
Olli – Uns ist davor nicht bange, soviel sei hier verraten. Da wir die olle Abhöranlage bei uns im Keller ja instandbesetzt haben, sind wir bestens informiert. Cowboy, unser offizieller Abhöroffizier, kann dazu sicherlich mehr sagen.
Cowboy – Durch operative Maßnahmen im telekommunikativen Bereich ist es uns gelungen, die lasche und dekadente Trainingseinstellung der TeBe-Fans zu recherchieren und in unsere Taktikplanungen mit einzubeziehen. Geplant ist das Überreichen eines Kastens Sternburger beim obligatorischen Wimpeltausch, wodurch wir sicherlich einen konditionellen Vorteil im Spiel erlangen werden. Es wird wohl genügen, erstmal einen Torwart und zwei, drei Feldspieler auf den Platz zu schicken.
Auf den Rängen werden unsere Queerleaders für einen würdigen Rahmen bei diesem historischen Sportereignis sorgen.
TEBElive – Könnt Ihr Euch weitere gemeinsame Aktionen vorstellen?
Cowboy – Uns schwebt da ein Eierlikörlauf gegen die TeBe-Fans vor. Oder blinde Kuh spielen im Olympiastadion. Oder ein Motocross-Rennen gegen das Bezirksamt Charlottenburg auf dem Rasen des Mommse …
TEBElive – Und natürlich noch die Frage, wie gefällt es euch bei uns im Mommsenstadion?
Olli – Seit es die gemeinsame Aktion gibt, bin ich regelmäßiger Besucher der Heimspiele. Klar, es ist keine Bundesliga und die Zuschauerzahl hält sich in Grenzen. Aber die Atmosphäre stimmt und der Typ am Bierstand, hinten beim Fanblock, ist ja wohl einmalig. Es ist ähnlich wie im Schokoladen, jede und jeder kann dort seinen Spaß haben und irgendwelche kruden Ansichten, die auf den Müllhaufen der Geschichte gehören, bleiben selbstverständlich draußen.
TEBElive – Dann danke ich euch für die charmante Plauderei und würde noch einen Eierlikör nehmen …






