Schnürsenkelhelden - Laufend gegen Stigma

Ein Interview mit Ralph Ehrlich, Vorstand des Berliner Aids-Hilfe e.V.

Anlässlich des heutigen Welt-Aids-Tags spricht Ralph Ehrlich, Vorstand des Berliner Aids-Hilfe e.V., im Interview mit TBAF über HIV/Aids, den Umgang mit HIV-Positiven Menschen und die Arbeit bei der Berliner Aids-Hilfe. Der Verein hat vor einiger Zeit die „Schnürsenkelhelden – Laufend gegen Stigma“ ins Leben gerufen. Zum Heimspiel gegen den SC Gatow werden die Schnürsenkelhelden auch im Mommsenstadion präsent sein, um auf das Thema aufmerksam zu machen.

Hallo Ralph, die Berliner Aids-Hilfe ist 1985 gegründet worden – kannst du uns kurz eure umfangreiche Arbeit beschreiben und wie sehr sich diese im Lauf der Zeit verändert hat?

Wir informieren zu Übertragungswegen von HIV, Hepatitiden und anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen. In unserer Beratungsstelle, am Telefon, in Justizvollzugsanstalten und im Rahmen der Jugendprävention. Als Selbsthilfeorganisation unterstützen wir Menschen mit HIV/Aids, ihre An- und Zugehörigen in allen Lebensfragen, die sich im Rahmen der HIV-Erkrankung ergeben. Wir beraten und informieren zu sozial- und arbeitsrechtlichen, wie auch zu medizinischen und psychosozialen Fragen. Wir geben Hilfe zur Selbsthilfe und unterstützen die Selbstvertretung von Menschen mit HIV/Aids.

Vor dem Hintergrund der veränderten Lebenserwartung ermutigen wir Menschen mit HIV, sich mit den Aspekten des langfristigen Erhalts ihrer Gesundheit zu beschäftigen. Unser Ziel ist es, BerlinerInnen eine informierte Haltung im Umgang mit HIV, sexuell übertragbaren Erkrankungen und dem Leben mit HIV zu ermöglichen. Der Stigmatisierung und Diskriminierung HIV-positiver Menschen tritt die Berliner Aids-Hilfe parteiisch und solidarisch entgegen. In der Berliner Aids-Hilfe sind 18 hauptamtliche und elf geringfügig beschäftigte MitarbeiterInnen tätig. Rund 250 Vereinsmitglieder unterstützen die Berliner Aids-Hilfe finanziell und ideell.

Heute ist der Welt-Aids-Tag, ein Tag des Gedenkens, aber auch der Solidarität, der Aufklärung und Sichtbarkeit HIV-positiv lebender Menschen. Welche Bedeutung hat der Tag für dich?

Der Welt-Aids-Tag wird ja weltweit begangen und hat damit natürlich eine starke Ausstrahlung auf die Öffentlichkeit und Medien, welche wir als Berliner Aids-Hilfe nutzen, um auf unsere Themen aufmerksam zu machen. Aber für mich als HIV-Positiver ist eigentlich jeder Tag Welt-Aids-Tag, und ich würde mir wünschen, dass es diese Aufmerksamkeit 365 Tage im Jahr gibt.

Worauf blickst du an einem Tag wie heute zurück und was hat sich seit dem ersten von der UNAIDS organisierten Welt Aids Tag 1996 verändert? Gibt es heute einen anderen Umgang und ein anderes Bewusstsein für HIV-Positiv lebende Menschen?

Die Situation für Menschen mit HIV hat sich – zum Glück – doch sehr stark verändert seit 1996. Sind damals noch viele Menschen in Deutschland an der Immunschwächekrankheit verstorben, so ist eine HIV-Infektion heute sehr gut behandelbar und man hat als HIV-Positiver eine genauso hohe Lebenserwartung wie jeder andere Mensch. Übrigens, wer unter dauerhafter Medikamententherapie steht, gilt als kaum infektiös. Alleine mit der Stigmatisierung und Ausgrenzung von Menschen mit HIV, etwa im Arbeitsleben oder auch bei Reisebeschränkungen, haben wir immer noch stark zu kämpfen. Da hat sich seit 1996 zwar viel verändert, aber ich persönlich erlebe immer noch, gerade bei jüngeren Menschen, viel Unwissenheit über die Übertragungswege von HIV und habe das Gefühl, bei jeder Generation müssen wir wieder von vorne beginnen aufzuklären.

Laut Robert-Koch-Institut leben in Deutschland etwa 80.000 Menschen mit HIV/AIDS, davon wissen geschätzte 14.000 Menschen nicht von ihrer Infektion und jährlich kommen noch immer weitere neue Ansteckungen hinzu. Was ist das Wichtigste, um weiter aufzuklären und welche Möglichkeiten gibt es, sich testen zu lassen?

In Berlin kann der Test anonym bei uns in der Berliner Aids-Hilfe gemacht werden, aber auch in den Beratungsstellen von Fixpunkt, Schwulenberatung oder Mann-O-Meter. Als Berliner Aids-Hilfe sind wir in vielen Clubs, Schulen, aber auch in Justizvollzugsanstallten unterwegs, um über HIV aufzuklären. Ganz wichtig ist es uns aber, die Information über HIV in die Öffentlichkeit zu tragen. Dafür sind wir auf vielen Events in der Stadt präsent, und dass wir jetzt bei einem Spiel von Tennis Borussia auf unser Thema aufmerksam machen dürfen, ist für uns unheimlich wichtig. Hier schon ein dickes Danke dafür!

Ihr habt Anfang des Jahres die Aktion „Schnürsenkelhelden“ ins Leben gerufen und bereits einige Sportler dafür gewinnen können – wer kann mitmachen, was sind eure Ziele und was unterstützt ihr damit?

Schnürsenkelhelden nennen sich sechs HIV-positive/negative Sportbegeisterte aus Berlin, die hauptsächlich mit Laufen sportiv unterwegs sind. Wir hatten uns überlegt wie man im Sport auch sichtbar ein Zeichen setzen kann. Ein Blick an uns herunter war dann nötig, um auf die Idee zu kommen: Fast jeder, der Sport betreibt, braucht Schuhe. Und was hält Schuhe fest am Fuß: Schnürsenkel! Wir haben dann entschieden, mit dem Geld, welches wir bei einem Wettbewerb mit unserer Idee gewonnen hatten, Schnürsenkel mit der Aufschrift „Laufend gegen Stigma“ zu bedrucken und diese gegen eine Spende unter die Bevölkerung zu bringen. Nachdem ich über Freunde erfahren habe, dass Menschen mit HIV in der Türkei es besonders schwierig haben, haben wir uns entschieden, die Spendenerlöse einem Projekt in der Türkei zur Verfügung zu stellen. Jeder, der unsere Schnürsenkel trägt, ist somit ein Held – manchmal kann Held sein so einfach sein!

Wir danken dir für das Gespräch, Ralph. Beim nächsten Mal stellen wir dann das durch euch unterstützte Projekt und die AIDS-Hilfe in der Türkei vor! Und beim Heimspiel, am 5.12.14 gegen den SC Gatow, wird die Berliner Aids-Hilfe im Mommsenstadion zu Gast sein.

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