Lesser, Alfred

23.05.1882 -1942, Gründungsmitglied, Stürmer, Vereins- & Verbandsfunktionär

  • zwei Spielzeiten im lila-weißen Jersey 1904/05 und 1905/06

Alfred Lesser ist einer der zwölf Gründungsmitglieder vom 9. April 1902. Rasch wurde der Sportler, Funktionär und Mäzen zu einer der bestimmenden Persönlichkeiten im Verein während der ersten 30 Jahre seines Bestehens. Auf Lessers Engagement gehen die Gründung der Fußballabteilung im Jahr 1903 und der Boxabteilung 1925 zurück. Exzelenz, wie er im Verein hochachtungsvoll genannt wurde, stiftete aus seinem Privatvermögen die Gelände in Niederschönhausen (1912), er ließ einen Teil seines Firmenanwesens in eine große komfortabel eingerichtete Box-Trainingshalle umwandeln, die an Kampftagen Sitzplätze für 2.000 Besucher fasste, und er war es, auf dessen Initiative in den 1920er Jahren zahlreiche prominente (Fußball-)Freundschaftsspiele zustande kamen, die den Grundstein für den Erfolg der Purple Twenties legten. Auch am Zustandekommen des höchst brisanten Kräftemessens mit dem Club Francais — der ersten deutsch-französischen Begegnung nach dem Ersten Weltkrieg — hatte Lesser maßgeblichen Anteil, teilt ein Nachruf in den Club-Nachrichten von 1951 mit. Man kann seinen Beitrag zum Erfolg jener Jahre nicht hoch genug schätzen.

Die Zusammenstellung einer auf allen Posten gut besetzten Mannschaft, die Verpflichtung der besten Sportlehrer (Richard Girulatis, Otto Nerz, Sepp Herberger, Stanton, Polster, Hollstein), die Schenkung einer Sportplatzanlage in Niederschönhausen durch ihn und die Pachtung großer Sportplätze, die Verpflichtung großer Gegner entsprangen in erster Linie auch seiner Initiative.

Auch als Verbandsfunktionär war Lesser tätig. Seit Anfang der 30er Jahre gestaltete Alfred auf Landesebene als Pressewart die Sportpolitik des Boxverbandes, wo er es durchsetzte, dass allabendlich die Boxresultate durch Rundfunk veröffentlicht werden, wodurch das Publikumsinteresse deutlich gesteigert werden konnte.

Tennis Borussia bestimmte so sehr sein Leben, dass sich seine Frau Tutti (ihr Bruder Adolf Wisotzki war der Vereinsarzt) weigerte, mit ihrem Alfred in den Urlaub zu fahren: Immer, wenn ich im Urlaub bin, setzt er mir Tennis Borussen vor die Nase. Beim letzten Male hat er mir gleich neune eingeschleust . — Kann ich da noch an Urlaub denken?

Vereinsfreunde rühmten nicht nur seine Hilfsbereitschaft  — Wie oft versuchte er, unseren arbeitslosen Mitgliedern zu helfen–, berüchtigt war er auch bis ins hohe Sportleralter für seinen sportlichen Ehrgeiz. Über einen Leichtathletikwettkampf etwa berichten die Club-Nachrichten von 1924 – Lesser war immerhin bereits 42 Jahre alt –:

Excellenz verknackte sich im Vorlauf für Alte Knaben über 50 m das Bein, kam aber noch als dritter für den Endlauf in Frage, wo er den zweiten Platz Bügelfaltenbreite hinter dem ersten sich ‚erhumpelte‘. Dass es auf Platz nur 11:10 gab [sic!], spricht Bände. Manches jüngere Mitglied sollte sich ein Beispiel an seinem ersten Vorsitzenden nehmen, was man mit Energie erreicht.

Und während eines Spiels der Alten Herren gegen Norden Nordwest 1927 geriet der Linksaußen Lesser über eine Schiedsrichterentscheidung derart in Rage, dass er sich lautstark über Zu- oder Abnahme der geistigen Intelligenz eines ‚Sportmannes‘ im vorgeschrittenen Alter ausließ, worauf er vom Platz gestellt wurde.

Nach der Wahl vom 30. Januar 1933, die die Regierung Hitler an die Machthebel geschwemmt hatte, musste die jüdische Mitgliedschaft den Verein verlassen. Alfred gründete zusammen mit Schwager Adolf die Sportgemeinschaft 1933, um weiter seiner Leidenschaft, dem Sport, nachgehen zu können.

Exzellenz Alfred Lesser emigrierte zusammen mit seiner Frau Tutti und dem Schwager Dr. Adolf Wisotzki nach 1939 in die USA. Alfred verstarb 1942 an den Folgen eines Herzinfarkts, er hatte soeben seinen 60ten Geburtstag gefeiert. 1951 schrieb seine Witwe Tutti aus New York an die Berliner Veilchen, sie lege immer lila-weiße Blumen auf das Grab ihres Mannes, denn:

Tennis Borussia gehörte doch so sehr zu seinem Leben!

Geschichten zu Lesser, Alfred

„Bericht eines Schlachtenbummlers. Paris“

Am Sonntag, 19. Oktober 1924, kommt es auf der Pariser Buffalobahn zu einer denkwürdigen Begegnung. Erstmals nach dem ersten Weltkrieg treffen mit dem Pariser Club Français und der Berliner Tennis Borussia eine französische und eine deutsche Mannschaft aufeinander. Das Spiel war ein Politikum — und hoch umstritten. Auch dass die Wahl auf die Berliner Veilchen […]

Mutmaßungen über Tennis

Die VBB-Meisterschaft 1931/32 Aber Tennis ist immer als Zweiter über die Gerade gegangen. Von 1925 an gelingt den Lila-Weißen drei Jahre lang nur die Vizeabteilungsmeisterschaft, 1925 hinter Alemannia, und 1926 und 1927 hatten die Veilchen das Pech, in der zweigleisigen Berliner Oberliga in einer Abteilung mit Hertha  BSC anzutreten. Anders in den Folgejahren, in denen […]

Elf Freunde!

Der erste Fußball-Trainer Deutschlands, Richard Girulatis, war der erste Trainer der Berliner Veilchen Von Erik Eggers Nicht einmal Dänemark, das kleine Dänemark, wollte 1923 noch gegen den deutschen Fußball antreten. Die Engländer, das große Vorbild, schon gar nicht. Das nagte an Richard Girulatis. Beide Fußballverbände hatten den traditionellen Länderwettkampf aufgekündigt „mit der Begründung, unsere Leistungen […]

Schweren Herzens

Am 11. April 2013 jährt sich der „Austritt“ der jüdischen Mitglieder zum 80ten Mal. Tennis Borussia nimmt dies zum Anlass, allen zu gedenken, die von den Nazis verfolgt, terrorisiert und ermordet wurden. 26. Dezember 1932. An Tennisclub Borussia. Lietzenburgerstr. 36. Sehr geehrter Herr Präsident, beginnt Arnold Schönberg einen Brief, der ihm außerordentlich schwer fällt. Wie […]

„…wie es seinem Blut und seiner Rasse entspricht“

Der spätere Reichstrainer Otto Nerz gilt als wichtigster Modernisierer des deutschsprachigen Fußball in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Nerz erlernte das Trainerhandwerk bei Tennis Borussia von der Pieke auf, und es waren die Veilchen, bei denen er die wichtigsten Erkenntnisse der jungen Trainingswissenschaften in der Praxis erprobte. Aber die Geschichte des Fußball-Pioniers Nerz hat […]

Das also sind die Veilchen vom Mommsenstadion

Willkommen in den 1950ern! Aus 85.000 Kehlen donnert der alte Schlachtruf, Ra! Ra! Ra! Borussia!, ins Rund des Olympiastadions, wo derweil elf Herren in lila-weißen Trikots einlaufen: Im Tor Karl-Heinz Steinbeck, „Bubi“ genannt, 1,85 groß, 32 Jahre alt. … Gelingt ihm die erste Abwehr gut, dann unterläuft ihm im Rest der Spielzeit kaum ein Fehler. […]

Löwen. Eisbären. Raubritter.

Sommer 1929. Ist die Katze nicht im Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch. Tennis Borussia ist auf Norddeutschlandreise, und daheim in Berlin stimmt die Presse den Abgesang auf die Veilchen an. Als (potentielle) Königsmörder werden gleich zwei Vereine ausgemacht: Viktoria und Wacker. Nach einer Lesart streckte der Löwe von Mariendorf seine Tatzen gewaltig nach […]

Veilchen verpassen

Tennis Borussia, die Boxabteilung & der Deutsche Meister im Mittelgewicht und Halbschwergewicht Erich „Ete“ Seelig 1924 – es knirscht gewaltig im Getriebe des Sportclub Charlottenburg (SCC). Die im Sommer 1920 gegründete Boxabteilung entwickelt sich prächtig. Harry Stein hält zwei Jahre lang den deutschen Amateurtitel im Fliegengewicht (1922 & 1923), bevor er erfolgreich ins Profilager wechselt. […]

Das erste Mal

Die Reise nach Strelitz Dr. Fritz Baumgarten war der erste Torwart von Tennis Borussia und er war der erste Torwart einer deutschen Nationalmannschaft (am 5. April 1908 gegen die Schweiz). In der Festschrift zum 50jährigen Jubiläum des Berliner Tennis-Club „Borussia“ berichtet Fritz in Wort und Bild von der ersten Auswärtsfahrt der Tennis Borussen, die die […]

„Oh Hans!“

Wenn hart und ritterlich der Hanne gegen Hanne ringt Und wenn das Vierzigtausend in Extase bringt, Was heißt da Sieg, was Niederlage – Das sind des Fußballs Feiertage. Hanne gegen Hanne. Verteidigung gegen Sturm. Brunke gegen Sobek. TeBe gegen Hertha. Kein anderer personifiziert in den Goldenen Zwanzigern die Veilchen wie Hans Brunke. Kein anderer die […]

Ach, wie klein und hässlich sind wir in Berlin!

13. April 1925: TeBe gegen den Corinthian F.C. So erregt erlebt man den Chefcoach selten. Otto Nerz, sonst kühl und gefasst bis zur Unberührbarkeit, schwärmt vom Gegner, der sich für den Ostermontag 1925 angesagt hat, in den höchsten Tönen. Nur die besten Amateure des ganzen Landes, so beschreibt er den elitären Corinthian FC, beste sowohl […]

Es trinkt der Biere zehn gern stille …

Mit Heinrich Zille nach Frankfurt und Wiesbaden: Die Weihnachts- und Neujahrs-Fußballspiele 1925/26 Während heutzutage mitunter schon ein einziger Regentag für eine Spielabsage ausreicht und unter winterlichen Bedingungen abseits der Profi-Arenen mit ihren Dächern und Rasenheizungen fast überhaupt kein Spielbetrieb mehr stattfindet, gilt der Fußball in seinen Kindertagen in Deutschland fast schon als ideale sportliche Betätigung […]

„… eins, zwei, drei, Herberger trinkt keinen, fünf, sechs, sieben…“

Sepp Herberger bei Tennis Borussia. 1926 – 1932. Die Geschichte des Berliner Tennis Club Borussia ist seit seiner Gründung 1902 verbunden mit einer Reihe prominenter Namen. Von Arnold Schönberg über Otto Nerz zu Hans Rosenthal gaben nicht wenige darunter dem kulturellen, dem sportlichen und dem medialen, kurz: dem gesellschaftlichen Leben eines ganzen Jahrhunderts ihren Stempel […]

Eine Prachtleistung

15.000 Zuschauer wollen das Spitzenspiel um die Führung in der Staffel B der Berliner Verbandsliga sehen. Minerva kombiniert gefällig, Tennis hingegen spielt gewohnt effektiv auf. Der erste stramme Abschluss, eine unhaltbare Bombe in Anschluss an einen Lattenschuss zappelt in Konny Patrzeks Veilchennetz. Dabei gingen die Pulse mehrerer T.B.-Anhänger auf fast 160, wie Vereinsarzt Adolf Wisotzki […]

Lokomotive TeBe

Das reguläre Verbandsspiel muss ausfallen, da Union 92 zum Wiederholungsspiel im Pokal abberufen ist. Kurzentschlossen fahren die Berliner zu einem Freundschaftspiel nach Leipzig zur Fortuna. Sie finden schlechte Bedingungen vor. Der Platz ist in einem miserablen Zustand. Dazu kommen orkanartige Böen. So wechselhaft wie das Wetter gestaltet sich das Spiel. Erste Minute: Leipzig geht in […]