"Kein Mensch sollte sich verstellen müssen"
Mit der Kampagne #IhrKönntAufUnsZählen setzt das Magazin 11Freunde ein Zeichen gegen Homophobie im Fußball. In den letzten Wochen haben sich zahlreiche Spieler*innen, Vereine und Organisationen mit lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen solidarisch erklärt. Diesen März findet auch der Aktionsmonat „Berliner Fußball gegen Homo- und Trans*phobie“ des BFV und LSVD Berlin Brandenburg, im Rahmen dessen wir eine Folge TennisTalk diesem Thema gewidmet haben. Auch Nico Matt, der Kapitän unseres Herren-Teams, hat keine Sekunde gezögert, sich an der Aktion zu beteiligen.
Als wir dich gefragt haben ob du bei der 11Freunde-Kampagne mitmachen würdest und mit uns ein Interview machen könntest, hast du sofort zugesagt. Dir war auch wichtig dazu etwas zu sagen. Warum?
Mir war es wichtig, mich zusätzlich zum Foto zu äußern, da bei den Themen Homo- und Transphobie gerade in der jüngeren Vergangenheit zwar immer wieder Zeichen, wie z.B. Kapitänsbinden oder Eckfahnen in Regenbogenfarben, gesetzt wurden, darüber hinaus aber verbal, gerade von Spieler*innen eher selten Stellung bezogen wurde. Die Themen Homo- und Trans*phobie im Fußball müssen offensiver angegangen werden, wozu ich gerne meinen Teil beitrage.
Hast du selbst schon Erfahrungen mit homophoben Anfeindungen gemacht?
Aus Stadien kenne ich den einen oder anderen Fangesang mit homophoben Inhalten. Dass eine Person homophob angefeindet wurde, habe ich bislang zum Glück nicht miterlebt.
Seit 2013 spielst du schon bei TeBe. Da hast du bestimmt schon das eine oder andere Mal den Spruch “Lila-weiß ist schwul!” hören müssen. Fühlst du dich davon angegriffen? Wie gehst du damit um, wenn dir solche diskriminierenden Verhaltensweisen auf dem Platz oder auch im eigenen Team begegnen?
Ja, diesen Gesang habe ich hier und da mitbekommen. Es ist traurig, dass gegnerische sogenannte „Fans“ uns auf diese Weise provozieren wollen. Wirklich angegriffen fühle ich mich von dem Lied nicht. Es spornt mich, genau wie auch andere Schmähgesänge, eher an. Darüber hinaus finde ich die Reaktion unserer Fans auf den Gesang sehr passend. Soweit ich weiß, machen sie den Gesang meist nach, wodurch dem Gegenüber der Wind aus den Segeln genommen wird und die negative Konnotation von „schwul“ schwindet.
Hast du das Gefühl, dass sich die Situation auf den Plätzen verbessert oder verschlimmert?
Man kann schon den Eindruck gewinnen, dass sich die Situation zumindest im Profifußball verbessert hat. Während vor ein paar Jahren eine Regenbogenfahne im Stadion noch für viel Aufsehen sorgte, sind gerade zuletzt an vielen Spieltagen Kapitänsbinden, Eckfahnen oder Sponsorenaufschriften in Regenbogenfahnen zu sehen. Es kann natürlich auch an den Charakteren der Spieler liegen, ich habe aber das Gefühl, dass junge Spieler, die nun in den Männerbereich kommen, unvoreingenommener sind als noch vor ein paar Jahren.
Auf der anderen Seite hat sich seit dem Coming-Out von Thomas Hitzlsperger 2014 kein aktiver oder ehemaliger Profi mehr geoutet, was aufzeigt, dass die letzten Jahre in diesem Bereich nicht wirklich fortschrittlich waren und die eben genannten Kampagnen halt doch mehr an der Oberfläche kratzen.
Wie nimmst du bei dem Thema die Fans wahr? Es wird ja oft gesagt, dass Fans ein großes Problem sind und Spieler*innen Angst vor den Reaktionen der Fans haben.
Ich kann die Angst vor der Reaktion der Fans schon nachvollziehen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass einige Stadionbesucher*innen ihren Unmut äußern werden und es Shitstorms im Internet geben wird. Meine Vermutung ist aber, dass sich ein Großteil der Fans schützend vor die Spieler*innen stellen würde und die anderen Stimmen dann nach einiger Zeit verstummen. Es hängt sicher auch vom Verein und seinem Umfeld ab. Bei Tennis Borussia mache ich mir dahingehend z.B. überhaupt keine Sorgen und erwarte vielmehr positive Resonanz, sollte es zu einem Coming-Out kommen.
Angenommen, eine dir aus dem Fußball bekannte Person würde sich dir anvertrauen und erzählen, dass sie ihr “Coming-Out” plant, sich aber noch unsicher ist, weil sie vor den Reaktionen von Fans und Spielern fürchtet. Was würdest du dieser Person raten?
Ich würde der Person raten sich zu outen und ihr in jedem Falle meine vollste Unterstützung versichern. Das mag der ein oder andere vielleicht naiv finden, da es im Fußball noch viel Aufklärungsarbeit bedarf. Ich finde aber heutzutage sollte sich kein Mensch mehr verstellen müssen, aus Angst wegen der sexuellen Orientierung vom Team oder von den Fans nicht akzeptiert zu werden. Je nach Standing in der Mannschaft kann ein Coming-Out natürlich auch leichter oder schwerer fallen. Es wäre wünschenswert, wenn sich Personen im Profifußball outen würden. Dies würde ein Coming-Out im Amateurfußball wahrscheinlich erleichtern.
Wie bewertest du die aktuellen Kampagnen zu dem Thema?
Ich finde die aktuelle 11Freunde-Kampagne super und hoffe, dass sie Fußballspieler*innen in der Entscheidung bestärken wird sich zu outen. Die Stärke der Kampagne ist der Perspektivwechsel, also dass nicht homosexuelle Spieler, z.B. mit einem Coming-Out, die Debatte auf ein neues Level bringen müssen, sondern wir Mitspieler*innen dafür Verantwortung tragen, ein sicheres Umfeld zu schaffen. Die an der Kampagne teilnehmenden Spieler*innen, die sich mit dem Thema in der Vergangenheit vielleicht wenig oder gar nicht beschäftigt haben, setzen sich nun damit auseinander. Das ist ein wichtiger Schritt.
Was würdest du dir von den Vereinen und Verbänden im Umgang mit Homo- und Trans*phobie wünschen?
Der Fußball als „Volkssport Nummer 1“ muss seiner Verantwortung gerecht werden. Ich wünsche mir von seinen Verbänden und Vereinen, dass sie mehr Initiative übernehmen und sich, wenn das nötige Know-How fehlt, von Expert*innen externe Unterstützung einholen. Der Berliner Fußball-Verband ist da ein gutes Beispiel. Er kooperiert unter anderem mit dem Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg und hat in den letzten Jahren schon einiges in die richtige Richtung bewegen können. Vereine können Verantwortung übernehmen, indem sie bspw. einen Wertekodex aufstellen und diese Werte mit ihren Mitglieder*innen und eben auch ihre Spieler*innen kommunizieren.
Was wünscht du dir von Spieler*innen?
Jede/r Spieler*in sollte bei sich selbst anfangen, nämlich zunächst einmal reflektieren, ob man durch seine Sprache oder bestimmte Verhaltensweisen eventuell jemanden diskriminiert. Zudem sollten wir Spieler*innen den Mut besitzen, diskriminierendes Verhalten anderer anzusprechen und nicht zu tolerieren. Auf diesem Weg kann eine Atmosphäre in den Teams entstehen, in der ein Coming-Out leichter fallen würde. Für uns Amateurfußballer*innen sind Vorbilder zudem sehr hilfreich. Es hinterlässt Eindruck, wenn sich bspw. ein Max Kruse mit seinen Ecken und Kanten klar zu potenziellen homosexuellen Mitspielern bekennt. Dies sorgt bestimmt dafür, dass sich die eine oder andere Person im Profi- und Amateurfußball dahingehend reflektiert.
Vielen Dank für deine Antworten, Nico!